23.06.2022 16:41, Lesedauer: ca. 5 Minuten, Von: Dominic Malzahn
Als was fühlen Sie sich? Sind Sie einer regionalen Gruppe zugehörig?
Ich bin Rheinländer, der in Berlin lebt.
Viele halten mich für laut, für eine Frohnatur (darüber schmunzelt meine ganze Familie), für aufgedreht. Aber warum? Weil ich Rheinländer bin? Vielleicht...
Hintergrund ist: Mit einer kulturellen Zugehörigkeit werden einem Werte zugeschrieben. Das kennen und erleben wir häufig.
Deutsche haben keinen Humor, Deutsche sind übergründlich, Berliner sind unfreundlich, die Bahn ist unpünktlich, Fiat ist nur kaputt. In unserem Kopf sind mit diesen "Kulturen" Deutsch, Berliner, Bahn und Fiat bestimmte Werte fest verknüpft.
Interessanterweise findet diese Verknüpfung allerdings andersherum statt. Zuerst fallen uns Dinge auf, die wir dann an einen Begriff ordnen.
Als Berliner ist uns natürlich der eigene Flughafen Berlin Brandenburg ein Begriff (und ich vermisse sogar als Tegeler Tegel!). Er war aber ein unbeschriebenes Blatt - bis die Eröffnung eine Tortur wurde. Und seitdem hängen Wolken, wie "Pleitenflughafen" oder "Organisationsloch" über ihm.
Und dennoch versuchen viele, viele meiner Führungskolleg*innen die Kultur von "oben herab" zu verändern - durch aufgesetzte Maßnahmen - wie Unternehmensziele, Neustrukturierungen, ...
Und das obwohl die Schöpfung einer Kultur immer auf Werten beruht, die viele Einzelne gleich ausleben. Erst dann, wenn sie sich gefunden haben und nach außen diese Gleichheit zeigen, kann sie sich vererben - aber auch nur dann, wenn sie sich im wahren Leben behaupten!
1. Vom Individuum in die Gruppe
Verabschieden wir uns etwas von diesen globalen Werten, wie die eines ganzen Volkes. Gehen wir einmal in ein Team. Hier habe ich es immer als extrem nützlich empfunden, mit meinen Leuten in die Analyse der individuellen Werte zu gehen (eine Methode finden Sie hier). Und mit dieser Auswahl an Werten in einen gemeinsamen Workshop zu starten und im Gruppensetting die für die ganze Gruppe wichtigen Werte zu analysieren. Denn nur so fühlt sich jeder Einzelne integriert und mitgenommen. Das ist vor allem nachher sehr wichtig, denn wenn sich eine Gruppe im ersten Schritt zu Werten bekannt hat, wird sie diese verteidigen. Oder positiv formuliert: Damit wird die Gruppe aus intrinsischer Motivation dafür sorgen, dass neue Teammitglieder in dieses Konstrukt aufgenommen werden. Und gehen wir noch einen Schritt weiter, werden Sie auf Grundlage dieser Werte ein Auswahl-Kriterium an der Hand haben.
2. Von Werten zur Kultur
Im allerersten Schritt ist es ziemlich wichtig, sich seiner eigenen Werte bewusst zu sein (eine Variante finden Sie hier) und diese dann auch auszuarbeiten. Diese Analyse ist nicht nur für Sie als Führungskraft selbst wichtig, sondern anschließend mit jedem Ihrer Kolleg*innen. Die sich überschneidenden Werte besprechen Sie dann in einem gemeinsamen Workshop und arbeiten diese genau so aus, wie ihre Eigenen (siehe hier).
Anschließend gönnen Sie sich und Ihrer ganzen Gang eine Beobachtungsphase. Diese kann bis zu einem Jahr dauern und soll dazu führen, dass alle ihrer Mannschaftsmitglieder sehen, dass die Werte nicht willkürlich ausgewählt wurden, sondern "echt schon da" sind.
Sobald sich diese festigen - Sie z.B. bemerken, dass sich Ihre Leute auf diese Werte berufen oder mit ihnen arbeiten - ist es ein Selbstläufer! Sie haben damit die Basis einer gemeinsamen Kultur erschaffen, die sich auf identische Werte beruft. Leiten Sie dann hieraus konkrete Verhaltensweisen und Methoden ab bzw. mappen Sie bestehende Methoden auf diese Werte.
Es kann z.B. sein, dass Sie bereits eine sehr offene und vertrauensvolle Gesprächskultur haben - dann benennen Sie diese unter dem passenden Wert. Oder führen Sie eine auf Augenhöhe beruhende Leistungsbeurteilung mit gegenseitigem Feedback ein, wenn Sie die Menschlichkeit, dem Teamgeist oder Ähnliches definiert haben.
Tipp:
Auch, wenn es etwas verwalterisch klingt, aber erstellen Sie ein Handout, ein Poster oder etwas, das jeder Ihrer Kollegen sehen kann und verbinden Sie hier die Methoden mit den Werten, die Sie leben - denn so wird eine Verbindung hergestellt. Diese Verbindung ist sehr wichtig, damit es als "Konzept" oder "Konstrukt" verstanden wird, nicht als Flickenteppich verschiedener Methoden.
3. Was ist nun Führung mit Werten?
Um es ganz simpel zu halten: Sie als Vorbild!
Sobald Ihnen Ihre Werte bewusst sind, können Sie diese vorleben und Ihre Mannschaft damit anstecken.
Man wird Sie sehr schnell in Ihren Werten bestätigen, selbst dann, wenn sich das Team für andere Werte entscheidet!
Sie werden schnell feststellen, dass die erarbeiteten Werte in Herz und Verstand übergehen und der Gruppe eine ganz spezielle und einzigartige "Wir-Kultur" verleihen.
Haben Sie spannende Workshops und noch interessantere aha-Momente!
Egal, was Sie tun: Seien Sie gut zu sich, Sie haben es verdient!
Herzlichst,
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